LYRIK

Aus hartem Holz wächst neue Kraft,
die Bäume stehen in frischem Saft
und Grün bricht aus den Zweigen.
Das fahle Grau deckt Farbenpracht
in Rot und Gelb, fast über Nacht
will sich der Frühling zeigen.

Der lieben Sonne warmer Strahl
erlöst uns von des Winters Qual,
lockt uns in Wald und Auen.
Ganz langsam weicht die Mattigkeit
und unsre Herzen werden weit,
die Wunder all' zu schauen.

Es ist ein Kommen und ein Gehen,
und Tag für Tag können wir sehen,
wie sich die Welt erneuert.
Wenn Hoffen zart in uns erwacht
und Tageslicht erhellt die Nacht,
das Leben singt und feiert.

04.04.1993

Das Leben ist ein stetes Suchen
nach Dingen, die  wir heiß ersehnen,
doch wenn wir uns am Ziele wähnen, entschwinden sie in fahlem Dunst.

Wir halten Menschen auf Distanz
und fürchten zu vertraute Nähe,
doch hoffen wir, dass was geschähe
und einer diesen Riegel sprengt.

Stets irren wir zwischen den Wünschen
und unsren Ängsten hin und her,
doch gibt es keine Wiederkehr
für Augenblicke, die entschwunden.

Wenn wir einmal zum Ende kommen,
hüllt das Vergessen alle Unrast ein,
erlischt der Sonne warmer Schein,
und auch das Suchen endet dann.

27.11.2012

J.M. isst einen Apfel

Ein Büblein auf der Mauer saß
und einen roten Apfel aß.
Die Frucht fasste der Bengel
fest zwischen Blüt‘ und Stängel,
hob sie zielsicher vor ’s Gesicht.
Nur zum Betrachten? Sicher nicht!
Er biss nur grad ein Stückchen ab,
kaut‘ es genüsslich dann und - schwapp –
schluckt‘ er den Brei hinunter.

Nun kam das nächste Stücklein dran,
fein säuberlich, gleich nebendran.
Er setzt‘ sein Tun bedächtig fort,
bis in der Mitte nur der Ort,
in dem die Apfelkerne hausen,
fein sauber abgenagt verblieb.
Den Apfelgriebs sah er sich dann
abschließend prüfend nochmals an,
ob er kein Fitzelchen vergessen,
doch es war gänzlich abgegessen.

Dann ist der Griebs im hohen Bogen
fast wie ein Vöglein fortgeflogen.

31.07.2018

Der fahle Nebel deckt das Land
mit einem Tuch aus Watte,
dämpft allen Lärm und alle Hast
und was einst Kanten hatte,
wird glatt und grenzenlos.                 

Was sich sonst fest und sicher zeigt,
verschwimmt ins Ungewisse,
der weite Raum - jetzt nah und eng -
hemmt plötzliche Entschlüsse,
bleibt unberechenbar.

Die Füße tasten Schritt um Schritt
durch milchig-weiße Schlieren,
drohen in dieser fremden Welt
die Richtung zu verlieren,
die Zeit dehnt endlos sich.

Wenn endlich doch die Sonne
durch graue Mauern bricht,
erfüllt sie all die Trübsal
mit strahlend weißem Licht,
verzaubert neu die Welt.

Der enge Raum erweitert sich,
der Blick kann wieder schweifen,
der Weg findet ein neues Ziel,
Gedanken blühen und reifen
und Leben färbt sich bunt.

14.11.1994

Rosen

Auch diesen Sommer blühen Rosen,
entfalten sich wie jedes Jahr.
Mir scheint, ich nähme mit den Jahren
sie deutlicher als früher wahr.

Wenn ich sie staunend nun betrachte
in ihrer Kraft und Farbenpracht,
so habe ich mir erst im Alter
die simple Wahrheit klargemacht,

dass dieser Duft und diese Vielfalt
nicht enden, wenn ich gehen muss,
dass sie auch Kind und Kindeskindern
noch Freude schenken und Genuss.

Auch diesen Sommer blühen Rosen,
duftend und bunt wie jedes Jahr.
Mir scheint, ich nähme ihre Schönheit
in diesem Jahr bewusster wahr. 

02.06.2016

"Das Schweigen der Lämmer"*

Sie lassen sich scheren, ohne zu mucken,
und werden sich nur ängstlich ducken,
kommt einer mit dem Messer.
>Solang ich nicht betroffen bin,
nehm ich es einfach wortlos hin,
mir tut es ja nicht weh. <
Begehrt wer auf, wenn einer hetzt
und heimlich schon das Messer wetzt,
ist das den meisten peinlich.
Im Stillen finden sie’s zwar richtig
und im Prinzip sogar ganz wichtig,
doch warum nur so laut?
Sie schwanken zwischen Furcht und Scham,
und sind dem lauten Rufer gram,
der sie an ihre Pflicht gemahnt!

Karlfried Rose
17.03.2023

[* Gleichnamiger Film von Jonathan Demme aus dem Jahr 1991 und  gleichnamiger Roman von Thomas Harris aus dem Jahr 1988] 

 

In einem Sonnenflecken
bin ich still eingenickt
und habe meine Träume
auf Wanderschaft geschickt. 

Von Wärme und von Blüten
haben sie mir bunt erzählt,
haben mir vorgegaukelt,
was meinem Tag noch fehlt. 

Der Wind, der mich umsäuselt,
streichelt mich sanft und mild
und malt mit feinem Pinsel
ein zartes Frühlingsbild. 

Ein dicker Regentropfen
weckt mich behutsam auf,
sucht über Stirn und Wangen
gemächlich seinen Lauf. 

Die Strahlen sind verschwunden,
von Wolken rasch bedeckt,
doch bleibt die liebe Sonne
nur kurze Zeit versteckt.   

01.03.2000

Ein Windhauch nur,
ein leises Wehen
ist unser Leben
in den Stürmen der Zeit,
ein Sandkorn nur
am Strand der Ozeane,

ein Tropfen in der Unendlichkeit
der Ströme und Meere.
Doch wie viel Schönheit
birgt selbst ein Sandkorn,
wie viel Vollkommenheit
ein Tautropfen,

der silbrig glänzend
von den Gräsern perlt!
Und in der Glut
eines Sommertages -
weckt nicht ein Windhauch
neues Sehnen?
14.05.1994

Frieden fängt im Herzen an
bei mir ganz allein,
Lebe ich im Streit mit mir,
wie kann Frieden sein?
Wie kann ich den anderen Menschen
einfach so sein lassen,
höre ich nicht vorher auf
selber mich zu hassen?

Wenn ich unzufrieden bin
mit dem eigenen Leben,
wie kann ich dem Anderen
dann Verständnis geben?
Wie soll denn Vertrauen wachsen
und wie Zuversicht,
wenn man ein gegebenes Wort
auch sich selber bricht?

Um auf Menschen zuzugehen,
um mich einzulassen,
muss ich zu mir selbst
erst Vertrauen fassen!
Wenn ich kleinlich mit mir hadere,
will mir nicht verzeihen,
wie kann dann mit Fremden
Toleranz gedeihen?

Geh ich lieblos mit mir um,
will an mich nicht denken,
wie käm es mir in den Sinn
andere zu beschenken?
Nur was ich im Kleinen tue,
kann im Großen werden:
Schließ ich endlich mit mir Frieden,
wächst er auch auf Erden!

06.03.2003

Ich schreib mir von der Seele,
drücke in Versen aus,
womit ich mich jetzt quäle.
Manchmal wird was daraus,
das mich auf meinem Weg
ein Stückchen vorwärts bringt
und lange noch danach
im Innern weiter klingt. 

Und strömt das Herz mir über
vor Freude und vor Glück,
rette ich mir hinüber
davon ein kleines Stück,
pack es in warme Worte,
hüll es behutsam ein:
So kann’s in kargen Tagen
mir Trost und Freude sein.

17.11.2001


Traumgesicht

Du gehst durch meine Träume
als hehre Lichtgestalt,
doch komme ich dir näher,
umweht es mich so kalt.

Ich weiß, es sind nur Träume,
Geschöpf der Fantasie,
doch wenn ich jäh erwache,
wünsch ich, ich hätte nie

dein Antlitz je betrachtet,
dein Lächeln nie gespürt.
Ich kann nicht mehr vergessen,
was mich zutiefst berührt.

Du gehst durch meine Träume,
bist da und doch so fern,
ein hoffnungsloses Sehnen,
unnahbar wie ein Stern.

 11.07.2018

 





Mangelt’s mir auch an Wortgewalt,

mich mit den Großen dieser Zunft zu messen,
sind meine Verse dereinst längst vergessen,
eh noch die ird’sche Hülle starr und kalt,
soll doch mein Streben nicht erschlaffen,
mich dem zu nähern, was ich spüre.
Wenn ich die Glut zum Feuer schüre,
um neue Wortgebilde zu erschaffen,
habe ich Teil an jenem Geist,
der alle Menschen schöpferisch durchdringt.
Wenn tief in mir die dunkle Saite klingt,
ahn ich den Ton, der Ewigkeit verheißt.

24.03.2008

Als sie sich einst erblickten,
da spürten sie den Sog,
der einen hin zum andren
unwiderstehlich zog.

Im Rausch erster Verliebtheit,
in rosarotem Licht,
sahn sie nur, was sie schätzten,
das andre jedoch nicht.

Die Freude, die sie fühlten,
sie konnten sie kaum fassen
und nur mit Widerstreben
kurz voneinander lassen.

Die Stunden rasch enteilten
in ungetrübtem Glück,
und erst nach Wochen kehrte
die Wirklichkeit zurück.

Jetzt mussten sie beim Liebsten
auch jene Seiten sehen,
die sie gar nicht vermissten,
die gleichwohl doch bestehen.

Bestürzt erkannten sie nun,
dass es nur beides gibt,
die Seite, die im Schatten,
und jene, die man liebt.

Sie lernten sich ertragen,
Gewohnheit kam hinzu,
und eh sie sich’s versahen,
warn sie zu Dritt im Nu.

Sie wurden Vater, Mutter,
trugen an Pflichten schwer,
und keiner der zwei dachte
ans Kennenlernen mehr,

an jene erste Liebe,
die noch Verliebtheit war,
als alles noch ganz einfach,
nur freudevoll und klar.

07.02.2011

Glück

Das Glück, erlebt in einem Wimpernschlag,
wiegt manche Stunde auf
und manchen trüb verbrachten Tag
in eines Lebens Lauf.

Ein Sonnenstrahl, der durch die Wolken dringt,
ein Blütenkelch, der golden sich entfaltet,
ein kleines Kind, das selbstvergessen singt,
ein Wiedersehen, das friedvoll sich gestaltet.

Es ist ein Lächeln im Vorübergehen,
der stille Teich, der seine Ruhe mit dir teilt,
zwei Fremde, welche wortlos sich verstehen,
das offene Wort, das deinen Kummer heilt.

Oft sind’s die unscheinbaren Sachen,
die der Geschäftige bisweilen übersieht,
die jene unversehens glücklich machen,
für die etwas Besonderes geschieht.

Das große Glück, das wir ersehnen,
bleibt meist ein unerfüllter Traum!
Wo sind, wenn wir uns glücklos wähnen,
für kleine Wunder Zeit und Raum?

10.03.2009


Suche ich meines Lebens Sinn,

mein' ich die Frucht, die ausgereift
im süßen Fleisch sich schon begreift
als eines neuen Lebens Samen.

Stirbt einst in der Erinnerung der Namen,
stirbt die Geschichte, verblasst das Gesicht,
verliert sich doch die Liebe nicht,
und alle Freude, die wir einst verschenkt,
ist tief in anderer Herzen eingesenkt,
schlägt Wurzeln dort und trägt hernach auch Frucht.

Und alle Wunden, die wir unbedacht,
in Wut und Zorn dem anderen beigebracht,
das eine Wort, das wir nie eingelöst,
die Schwäche, zugedeckt voll Scham, die wir entblößt,
das Leben, das wir rücksichtslos und voller Hast gelebt,
die Ziele, denen wir in all den Jahren nachgestrebt,
all dies hat seine Wirkung längst getan,
und ändern kann ich wenig nur daran.

So bleibt etwas von uns, das überlebt,
wenn längst der Wind den Staub hinweggefegt
und keiner mehr nach unseren Zeichen sucht,
uns keiner mehr vermisst, noch voller Zorn verflucht.

 06.10.1995

Augenblicke

Sie schenkte mir ihr Lächeln
für eine kleine Freundlichkeit
beim Strahlen ihrer Augen
wurde mein Herz ganz weit.

Im Gehen wandte ich den Blick,
noch einmal zu ihr hin zu sehen:
Versunken in ihr stilles Lächeln
fand ich sie sinnend stehen.

28.02.2003